Der HOLON-DOJO-Festzyklus
und seine mythologische Symbolik (Entwurf):

Ziel ist es, einen Festzyklus zu schaffen, der wieder eine neuerliche Rückbindung (eine 'NeoReLigio') an die Natur und die vielfältige Entfaltung diesseitigen Lebens schafft, und das gerade in einer Zeit der ökologischen Krise, die von einer Kultur der gewaltsamen, "patriarchalen" Herrschaft über die Natur, also über "Mutter Erde", in Verbindung mit einer lebensverneinenden Jenseitsorientierung (mit)hervorgerufen wurde. Im Mittelpunkt steht also die Idee der 'Prokreation', der dialektischen Entwicklung und Fortzeugung der Welt - als Ganzes und als bewundernswerte Erscheinung "Holon" genannt und als "göttlich" empfunden -, am klarsten gefasst im Akt der geschlechtlichen Zeugung und im jahreszeitlichen Zyklus der Natur. Auf die erste große Epoche der menschlichen Kultur, in der die Natur, verehrt und gefürchtet im Sinnbild der "Großen Mutter", dominierte (bis zum Anfang der Bronzezeit), und die Reaktion darauf, die Epoche der einseitigen Herr/schaft des Vatergottes über die "teuflischen" Mächte der "Welt", soll nun eine Zeit der dialektischen Gleichberechtigung der Geschlechter treten, welche das neue Mensch-Natur- und Mensch-Welt-Verhältnis nicht nur symbolisiert. Der Glauben an "jenseitige Mächte", oder gar eine jenseitige "Allmacht", mit denen im Bunde der Mensch sich selbst ermächtigt und so wagt, seine nach Allmacht strebende Technik zu schaffen, die heute immerhin die Potenz gewonnen hat, alles zu zerstören, dieser religiöse Glaube an ein Jenseits wird durch eine demütig realistische, innerweltliche Kultur ersetzt, die keine andere Transzendenz als die des Planens und Handelns in der Zeit kennt und dabei mit 'psychomorfen' (die Seele und damit das Denken formenden) Symbolen arbeitet. Jede/r weiß um deren Charakter als Sinnbild, aber auch um deren profunden Wahrheitsgehalt, und verinnerlicht sie so in feierlicher Stimmung, wobei das emotionale Spektrum von ausgelassenem Frohsinn bis zu tiefem Ernste reicht.

Der Zyklus schließt, wo möglich, an bestehende Termine an.

Ostern oder das Drachenfest - zusammen mit dem Fest der Geburt das höchste Fest - ist das Fest der Findung des richtigen Verhältnisses zur äußeren Natur, also der nährenden Pflanzen- und Tierwelt, und zur eigenen physischen und inneren Natur, also der Trieb-, Sinnes- und Gefühlsregungen. Beides erscheint ambivalent, zunächst als dämonisch Bedrohliches, dann aber auch als freundlich gestimmte, beschenkende, bereichernde Macht. Beide Aspekte verkörpert der Drachen. Er ist die rohe, unbeherrschte Trieb- und Bedürfnis-Natur, wie auch die ungezähmte Umwelt, vertreten durch wilde Tiere und bedrohliche Naturkräfte (z.B. Wetter, Erdbeben). Beides muss 'besiegt' werden, d.h. dem Überleben und dem Wohlleben dienstbar gemacht werden. Liegt der Schwerpunkt traditioneller Feste (im Abendland) auf der grausamen Niederwerfung und Denaturierung der Natur (Exempel: Marduk - Tiamat), so soll hier der Akzent auf der Findung eines friedlichen, konvivialen Verhältnisses liegen; nicht also durch Tötung, sondern durch Zähmung und Freundlichstimmung, soll der Drachen seine Schätze frei geben(1).

Wer 'den Drachen gezähmt' hat, kann und darf "der Liebe pflegen" (Homer). Auf die Drachenzähmung folgt also im Festzyklus die Mythische Hochzeit. Der Drachenzähmung entspricht taditionell die Drachentötung(2), also christlich die Kreuzigung (= Tötung der ehernen Schlange bzw. der Teufels = Höllendrachen = "Sünde"), und der Erlösung durch Wiederauferstehung ohne Sarx (= sündiges Fleisch) die "Heilige" = heilsame, Mythische Hochzeit, in der das triebhafte Streben auf lebensbejahende und nicht -verneinende Weise seine Erfüllung findet. Telos (Ziel, "Opfer") ist hier nicht die Erlösung vom Trieb und der Natur, sondern die erfüllte Vereinigung mit ihr.

Am Karfreitag wird also die Drachenzähmung durch das mythische Heldenpaar - ein Kämpfer und eine auf Versöhnung drängende Heroin - gefeiert.

Am Palmsonntag zuvor sind nämlich zwei gehörnte Drachen aus immateriellen Eiern geschlüpft, der erste aus einer Kluft der Erde und der zweite aus sonnenbeschienenen Regenwolken, der frühere weiblich, der danach männlich, beide Besitzer großer Schätze (lebendige Füllhörner also [cornua copiae]) und dennoch nicht zufrieden. Sie bekämpfen sich besitzgierig und leiden an ihrer Einsamkeit. Einander gegenüber leben sie und lagern ihre Schätze in ein und derselben Höhle mit einem Eingang, die Drachin tief unter dem Berg, wo Nässe von warmen, dunklen Felsen tropft, der Drache in staubigen Gängen hoch oben, in die durch die Spalten des Berges die Sonne ihre Strahlen schickt und im Winter der Schnee hereinweht. Sie rauben sich je ein geschlechtliches Gegenstück unter den Menschen: Jungfrau und Jungmann. Glückliche Gemeinsamkeit aber bleibt unmöglich, denn dafür wäre Zuneigung von Nöten, für die schon durch die Verschiedenheit der Gestalten die Voraussetzung fehlt.

Das Bild zeigt die Fraktal-Graphik "Drachen-Ei" des Künstlers Ron Barnett (mehr von Ron? Hier klicken!). Wer das Bild animiert sehen will, klicke hier! Eine Fraktal-Graphik ist hier besonders passend, weil sie ein Resultat der fraktalen Mathematik zeigt, mit der es gelungen ist, ganz erstaunlich kongenial die Formbildungsprozesse der Natur nachzubilden. Die heutigen Visualisierungs-Programme, mit denen sich Naturbilder von (fast) perfektem Realismus errechnen lassen, zeigen dies (Beispiel? Hier klicken!). Wahrscheinlich also ist das "kosmische Ursprungsei", das es in so vielen Mythologien gibt, der "Keim" also der Entfaltung aller Dinge, in Wirklichkeit die Entsprechung einer komplexen fraktalen Formel...

Angesichts der Bedrohung durch das Drachenpaar melden sich eine Heroin und ein Heros, um die Gefangenen zu befreien. In der folgenden Woche rüsten sie sich für die gefährliche Aufgabe durch innerliche Einstimmung, Kampfübungen und Fasten. Als symbolische Wappen trägt die Heroin einen Ring und der Heros einen Stab, beide getrennt zum Zeichen einer noch nicht hergestellten Einheit der Gegensätze (besonders des subjektiven Begehrens und seiner Objekte).

Dem Tun des Heldenpaares folgt analog im Alltag die Gemeinde, in der jede und jeder im richtigen Alter und mit der passenden psychischen Disposition sich als Verkörperung, als 'Inkarnation' einer der mythischen Figuren und damit auch als Konkretion der Göttlichkeit des Ganzen fühlt.

Am Gründonnerstag nehmen beide ein karges Mahl zu sich, um sich zu stärken. Nun tritt das Heroenpaar gegen die Drachen zur Befreiung der Gefangenen an. Heroin und Heroe greifen zusammen an, die Drachen wehren sich gemeinsam. Sie kämpfen den ganzen Tag einen für beide Seiten schmerzvollen, unentschiedenen Kampf.

Dem gedenkt mensch bei sportlichen Wettkämpfen, die tagsüber abgehalten werden, und wenn Kinder (oder auch Jugendliche und Erwachsene) in Masken das Geschehen nachstellen.

Am Karfreitag schlägt die Heroin die Freigabe der Gefangenen gegen Selbstaufopferung und Hingabe des Heroenpaars als Geisel und - soweit möglich - als Liebespartner statt der Gefangenen vor (wie Tammuz für Ischtar). Diese werden nun frei gegeben. Und im Moment der Hingabe an das Drachenpaar verwandeln die beiden sich in zwei Feen (wie in der mythischen Vorstellung vom freigeküssten Froschkönig), die ihre Bestimmung füreinander erkennen und so das Jungmenschenpaar freigeben.

(Wer zwischendurch sehen will, wie Drachen in Verbindung mit Erotik und Aggression auch heute noch die bildhafte Vorstellungswelt bzw. das Unbewußte von Menschen - zumindest in der New-Age- und Fantasy-Szene - bestimmt, der klicke hier für eine kleine, willkürliche Sammlung aus dem Internet...)

Jungfrau und Jungmann können nun zu Partnern des Heros und der Heroin in der Mythischen Hochzeit werden, die am Karsamstag gefeiert wird. Dabei werden die zwei mythischen Kinder gezeugt, die ihrerseits eines Tages Heroin und Heros sowie mythische Großmutter und Großvater werden sollen (Sinnbilder der zeitlich-dialektischen Entfaltung des Holon). Also ist Ostern - die Feier des beginnenden Wachstumszyklus' - auch das große Fest der Kinder, die mit ihren Maskenspielen (vielleicht auch als die Hauptakteure des großen Umzugs, s.u.) das mythische Geschehen - und damit die essentiellen Grundmuster menschlicher Existenz - sich und allen anderen vergegenwärtigen.

Auch Drachin und Drache vereinigen sich und lösen sich in diesem Moment - dem Moment der Befriedigung - (wie der Trieb) auf. Man sieht sie - wie die Natur - in der Vereinigung lust- und prachtvoll aufblühen, und dann - in herrlichen Farben - verwelken und hinschwinden. 'Energie' geworden, sublimieren sie in die Vielfalt der Dinge, insbesondere aber in ihre Schätze hinein, die nun, als Produkt ihrer Vereinigung, dem Heros und der Heroin zu Füßen liegen. An der Stelle ihrer Vereinigung findet sich eine dunkle muschelförmige Frucht, die bald in zwei Hälften aufspringt, und in ihrem hellen Inneren einen runden Samen frei gibt, der - einer Perle gleich - in allen Regenbogenfarben schillert. Aus diesem Samen treibt ein Keim empor: er wird wachsen und zum Segen bringenden Lebensbaum gedeihen (Inbegriff des Triebs und der aus ihm resultierenden Frucht). Symbolisch stellt der Lebensbaum die harmonische, lebensvolle Vereinigung der Gegensätze dar: Dunkelheit und Licht, Erde und Himmel, Körper und Geist, Lebewesen und Umwelt durchdringen sich in ihm, seinem Wurzelwerk, seinem Stamm und seiner Krone.

Zwei Drachen und in der Mitte zwischen ihnen eine Perle. Relief vom "Kaiserlichen Gewölbe des Himmels" (Imperial Vault of Heaven), Beijing, 1530 (Quelle: hier klicken!).
Der Mythos von zwei Drachen mit einer Art Perle ist weit verbreitet. Bezeichnenderweise spricht man im Abendland von einem Kampf zwischen Gut und Böse um die Perle, der apokalyptisch endgültig und gewaltsam in der Überwindung der Welt entschieden zu werden pflegt. Im Fernen Osten dagegen heißt es, dass die zwei Drachen die Perle, als Sinnbild höchster Erkenntnis und harmonischer Vollkommenheit, "umspielen" oder "mit ihr spielen". Das Bild ist im fernöstlichen Sinne zu sehen als harmonische Vereinigung der polaren Gegensätze von Yin und Yang, Erde und Himmel, Dunkel und Licht, Feuchtem und Trockenem, Weiblichem und Männlichem usw., eine Synthese, die in einem endlosen dialektischen Prozess immer wieder zu leisten ist... Die Perle und das Innere der Muschel, aus der sie stammt, schillert in den Farben des Regenbogens und ist damit Symbol für die spektrale Entfaltung der Welt, die, wie das weiße Licht, aus der Bandbreite farbiger Vielfalt aufgebaut ist. Wie heißt es doch im Tao Te King? "Der rechte Weg (das Tao) schafft das Eine, das Eine schafft die Zwei, die Zwei schafft die Drei: Die Drei aber schafft die abertausend Geschöpfe" (42. Spruch). "Die abertausend Geschöpfe ringsum entfalten sich und ich schaue also ihre Wiederkehr" (16. Spruch). "...Himmel und Erde vereinigen sich, um süßen Tau herabzusenden, ... Der rechte Weg ist in der Welt wie die Flüsse und Bäche in Strömen und Meeren." (32. Spruch) "Darum der Erfahrene: Er verweilt bei dessen Fülle und weilt nicht bei dessen Dürftigkeit." (38. Spruch) "...die Quellgründe gewannen das Eine und dadurch Fülle, die abertausend Geschöpfe gewannen das Eine und dadurch Leben..." (39. Spruch) "Wer aber ist imstande, die Ruhe durch die Behutsamkeit dauernder Bewegung zu erzeugen?" (15. Spruch) (zit. nach: Tao Te King, Übers.: Ulenbrook, Jan, Frankfurt 1980)

Darstellung des Lebensbaumes. Über ihm der Sonnengott Utu/Schamasch, neben ihm - in symbolischer Verdopplung - der anbetende König und Segen spendende "Flügelmänner", die in anderen Darstellungen der selben Szene Raubvogelköpfe haben (Relief aus dem Palast des Assyrer-Königs Assurnasirpal II, Quelle: Gutbrod, Karl: Geschichte der frühen Kulturen der Welt, Köln 1978)

Zur Feier dieses (mythisch-psychomorfen) Geschehens findet ein großes, öffentliches Fest statt. Ein Umzug wird veranstaltet, bei dem Drache und Drachin (wie bei asiatischen Festen) als bunte Stofffiguren (, die, mit Stangen hochgehalten, von Leuten getragen werden) mitgeführt werden. Die Drachin hat die Farben von Winter und Frühling, der Drache die von Sommer und Herbst. Zudem lässt man, wenn das Wetter mitspielt, Papierdrachen steigen. Außerdem werden frisch gekeimte Setzlinge von Bäumen, Sträuchern, Stauden und einjährigen, blühenden Pflanzen mitgetragen und gezeigt. Beim Umzug wird (auf Wägen und auf der Straße) Musik gespielt und getanzt. Am Höhepunkt des Festes laufen Drachin und Drache aufeinander zu. Wenn sie sich treffen, wird ein großes Feuerwerk angezündet, v.a. rings um die Drachenfiguren - viel sprühendes, buntes Feuer, auch Krachen und Pfeifen -, in dessen Rauchschwaden beide 'verschwinden' (d.h. heruntergenommen werden).

Ein ostasiatischer Drache inmitten von Blumen und Fahnen (u.a. in den Farben des Spektrums, die im HOLON-DOJO-Festzyklus die Farben der Jahreszeiten sind. Quelle: Internet).

Ein traditioneller chinesischer Drache bei einem Umzug. In Ostasien hat der Drache eine sehr viel positivere Bedeutung als im Abendland und in vieler Hinsicht ist bezeichnender Weise auch das Verhältnis zu Natur, Eros und Zeit ein weitaus weniger gewaltsames... (s. hierzu v.a. das Tao Te King. Quelle: Internet)

Ein Kuss von der Berliner Love-Parade
(Autor: Sven Kaestner, Quelle: hier klicken)

Während des Feuerwerks umarmen und küssen sich alle, die Heroin und Heros, Jungmann und Jungfrau darstellen wollen, v.a. hoch oben auf den Wägen (im Grunde sind alle im richtigen Alter Darsteller, 'Inkarnationen' der mythischen Figuren...) und sparen dabei nicht mit liebevollen und erotischen Gesten... Ringsumher lässt man farbige Luftballons steigen oder wirft sie unter die Menge, die die Durchdringung von Ring und Stab verkörpern, also die Vereinigung der Gegensätze, symbolisiert durch das Weibliche und das Männliche (Althergebracht sind Ring und Stab, in einer Hand vereint, ein Symbol der Macht; hier sollen sie Symbol des immer wieder herzustellenden, harmonischen Zusammenspiels der Gegensätze sein). Symbolisch vollzieht sich so in öffentlicher Feier die Mythisch-mystische Hochzeit, die dann spät am Abend, in esoterischem Kreise, nocheinmal fysisch vollzogen, genossen und bewundert werden kann.

Hera und Zeus (Parthenon, Athen): Hera macht mit dem Schleier eine Geste, mit der sie Zeus zum Hieros Gamos, zur Heiligen Hochzeit einlädt.
Und so schildert Homer das glückvolle, segenbringende Geschehen: "Komm, wir wollen in Lieb uns vereinigen, sanft gelagert, denn so sehr hat keine der Göttinnen oder der Weiber je mein Herz im Busen mit mächtiger Glut mir bewältigt, ... als ich anjetzt dir glühe, durchbebt von süßem Verlangen! ... Also Zeus und umarmte voll Inbrunst seine Gemahlin. Unten nun sproß die heilige Erd aufgrünende Kräuter, Lotos mit tauiger Blum und Krokos samt Hyakinthos, dichtgedrängt und weich, die empor vom Boden sie trugen; hierauf ruheten beid und hüllten sich rings ein Gewölk um, schön und strahlend von Gold, und es taueten glänzende Tropfen." (Homer: Ilias; Voss, Johann Heinrich, Übers. [1793], München 1984.)(Nicht übersehen werden sollte allerdings, dass dies bereits die Schilderung eines Hieros Gamos aus 'patriarchalisierten' Zeiten ist: die Liebesvereinigung fungiert hier als trügerische List der Hera, um den kriegerischen Zeus von der Durchführung seiner todbringenden Ratschlüsse in der Schlacht um Troja abzubringen... Der Ambivalenz der "listigen" "Großen Göttin", namentlich der Inanna-Ischtar, der Partnerin im großartigen Ritual der "Heiligen Hochzeit" in Sumer und Babylon, hatten schon die Götter [Enki] und Helden [Gilgamesch] des bronzezeitlichen Mesopotamien misstraut...)

An Stelle des Drachenpaares, das im Moment der Vereinigung sich in einem Regenbogen (Feuerwerk, Light-Show) aufgelöst hat - wobei der Regenbogen als weiteres Symbol für das Zusammenspiel der Gegensätze steht -, werden die Baumsetzlinge, umgeben von bunten Blumen auf Standarten hochgehalten (auf den Stangen, mit denen man vorher die Drachen getragen hat und an denen auch schon die Pflanzenbehälter befestigt waren). Dann zieht man, wenn möglich, zu einem Platz, wo die Pflanzen in die Erde gesetzt werden können (ersatzweise in Bottiche, die nach dem Fest einige Zeit stehen bleiben). Dabei sind die Keimlinge, die 14 Tage zuvor beim Saatfest feierlich gesät und begossen worden waren, symbolische Repräsentanz allen 'Treibens', und zugleich realer Beitrag zur Vielfalt und Gesundheit der Umwelt. (Der Lebensbaum ist hier nicht ein Todesbaum, ein Kreuz, über das vermeintlich "ewiges Leben" gewonnen wird, sondern Symbol einer gelungenen Integration ins Diesseits, in der auch das Triebleben zu Würde und Recht gelangt - statt einer Flucht ins "Jenseits".)

Am Abend dann kommt frau und man zu einem kleinen Festmal zusammen, nach dem der Mythischen Hochzeit im realen Vollzug einer erotischen Vereinigung nocheinmal gedacht wird. Entweder findet diese Feier des Lebens und des Entstehens der Dinge in intimer Zweisamkeit statt (etablierten Moralvorstellungen und Schamgefühlen entsprechend), oder (mehr den Intentionen des HOLON-DOJO entsprechend) in einer ausgewählten, esoterischen Öffentlichkeit - von klein bis groß -, in der Menschen, die dieses verstehen und dafür psychisch disponiert sind, das Geschehen als Symbol und Praxis der lustvollen Entfaltung der Welt feiern, genießen und bewundern. (Wiederaufnahme der Tradition der kultischen "Heiligen Hochzeit" in den "Naturreligionen" früher, noch naturnaher Hochkulturen, insbesondere im mesopotamischen Ischtar-Tammuz-Ritual. Die herzergreifenden Liebeshymen aus diesen Kulturen können während oder nach dem Essen zum Vortrag kommen. Aber auch auf die mystische Tradition des Tantrismus wird Bezug genommen [Dakshinachara, die "5 M's" inkl. Maithuna] - ohne allerdings deren 'weltüberwinderische' und damit letztlich lebens- und 'fleischfeindliche' Intentionen mit zu übernehmen...s. Näheres dazu? Hier klicken!)

Am Ostersonntag findet tatsüber ein Osterspaziergang statt, bei dem die keimende Natur kontempliert wird: man betrachtet Pflanze für Pflanze und nennt ihre Namen. Nachts dann feiert mensch ein großes eucharistisches Festmal der Vereinigung und Befriedung, in dem Lebensmittel aus dem unerschöpflichen Schatz des Drachenpaares verzehrt werden. Heroin und Heros müssen zuvor - tagsüber schwer arbeitend - für alle die Tafel decken, schlachten und das Essen zubereiten (alles junge Tiere und Früchte: es ist Frühling!). Wer von ihrem Wein trinkt und von ihrem Fleisch isst, sieht die Speisen auf dem Tisch vor seinem inneren Auge sich in Drache und Drachin verwandeln, die als Lichtgestalten sich im Moment des Zum-Munde-Führens vereinigen und auflösen...

Dieses eucharistische Mahl wird an jedem Sonntag, besonders aber am Ostersonntag gefeiert, wobei das Geschehen jedesmal - von Jahr zu Jahr, wie der Lebens- und Sterbenszyklus der Natur - von Neuem sich vollzieht (also nicht nur erinnert wird). Zur Erinnerung der Präsenz und der opfernden Hingabe von Drache und Drachin in der näherenden Natur wird das Fest - mit alten Tieren und reifen Früchten - am Erntedankfest, am Herbstfest und am Fest des Schenkens (24.12.) gefeiert.

Der Aspekt des Opferns zeigt sich in Askese und Opferbereitschaft bei Heros und Heroin und in der Gegenwart von Drache und Drachin in den 'Gaben der Natur', in deren Gestalt sie nun sich denen hingeben, die sie 'glücklich' gemacht haben. Der eucharistischen Feier wird damit die aggressiv-kannibalische Komponente genommen und in die positive Energie befriedigenden Arbeitens und liebevoller Hingabe umgewandelt.

Am Fest der Jugend, des Berufseintritts und der Arbeit (Initiation; 1.5.) müssen die Jugendlichen - in Erinnerung an den Reifetest des heroischen Paares - für Ihre Angehörigen, Freunde, Kollegen und Vorgesetzten ein Festmahl zubereiten: einladen heißt dies, besorgen, kochen, decken und servieren... Und, vor versammelter Gesellschaft, eine Rede halten, in der sie sagen, wie ihr Leben werden soll, und sich bei allen, die ihnen geholfen haben und helfen werden, bedanken.

Das Fest findet rings um den jungen Lebensbaum oder mitten zwischen vielen jungen Lebensbäumen statt, die aber nicht, wie der traditionelle Maibaum, geschnitten sind, sondern entweder in der Erde wurzeln oder in großen Bottichen kräftig grünen - vorzugsweise aus der Baumschule kommend, um dann am selben Tage an den Ort der Bestimmung gepflanzt zu werden - auch dies eine Arbeit für die jungen Jubilare.

In der 1. Vollmondnacht des Mai wird - wie auch am traditionellen Muttertag (2. Maisonntag) - die fruchtbare Frau, die Menstruierende, die Schwangere, die Mutter geehrt und gefeiert. Auch gedenkt man der "Mutter Erde" mit ihren Gewässern, der Schutzpatronin aller Pflanzen und Tiere. Ein sonntäglicher Wandertag im Grün und am Wasser oder im Zoo wird ihr gewidmet. Gegen Abend besucht frau mit Kind und Kegel Dampfbad oder Sauna, wo die Frauen sich stolz bewusst sind, dass man ihre Körper ehrt - mit Blicken und genussreichen Massagen. Der Tag schließt mit einem leichten Mal möglichst frisch von Frauen gesammelter Pflanzen und Tiere, so wie er mit frischem Obst begonnen hatte. Die Nacht gehört der Liebe...

Am 2. Sonntag im Juni, dem Vatertag (in den USA), gedenkt man des zeugungskräftigen Vaters und der ihm assoziierten Elemente der Sonne, der Luft und des Regens. Vorzugsweise besteigt man hierzu Berge oder auch Türme oder verbringt den Tag nackt in der Sonne beim Baden, wo man die Väter bewundert und ihnen, nach tüchtiger Gymnastik, eine wohlige Massage zuteil werden lässt. Später wird dem Eros gehuldigt...

(Beide Feste sind Antidot gegen eine sinnen- und körperfeindliche Kultur, die im "Fleisch" nur Übel sieht [Buddhismus, Christentum, ...].)

Bald auf den Vatertag folgt die Sommersonnwendfeier, die auch im Zeichen des Vaters und der Sonne steht, hier mit besonderem Fokus auf dem Element des Feuers, das man riesengroß leuchten lässt, von Sonnenuntergang bis in die Nacht hinein. Wenn tagsüber die Sonne am Himmel steht, sieht der Fantasievolle in ihr den Sonnendrachen, der dort zum Wohle der Menschen über den Himmel zieht und für alle glüht. Im Feuer brät man Fisch und Fleisch, gebracht vom männlichen 'Jäger' und genommen aus der schenkenden Sphäre der "Mutter Natur". Am Feuer dankt mensch für diese Gaben und entschuldigt sich für unvermeidliche Grausamkeit und Verursachung von Leiden. Man gelobt, Fisch und Fleisch wenig zu verzehren, nur soweit dies der Gesundheit und den Biotopen förderlich ist, sonst aber, soviel wie möglich, sich von gewaltfrei gewonnenen Milchprodukten und Pflanzen zu ernähren.

Am Fest des Lebensbaumes, der Hochzeit und der Eltern wird der 'inzwischen' (nachdem er vor Ostern keimte und an Ostern gepflanzt wurde) zu voller Größe herangewachsene, in reifem Grün dastehende und mit Früchten beladene Lebensbaum gefeiert.

Gleichermaßen lässt man mit diesem Symbol der Vereinigung der Gegensätze das Paar der Eltern hochleben und würdigt ihr Zusammenleben, ihre "Hochzeit", die ebenfalls eine 'dialektische Leistung' darstellt. Vorzugsweise an diesem Tage "heiraten" bzw. verbinden sich auch feierlich die, die zueinander stehen wollen und ggf. auch für ihre Kinder dasein möchten.

Auf zwei Arten wird das Fest gefeiert, je nach persönlicher Eigenart und Lebenswelt, eine urban-ekstatisch und eine 'naturnah'-'meditativ' (wünschenswert - zur Erweiterung des persönlichen Spektrums - ist die alternierende Teilnahme an beiden Formen).

Urban schließt mensch sich (auch terminlich) den Love-Parades an, oder veranstaltet selber eine. Auf den Trucks werden Bäume und Blumen, real oder im Bilde, zur Schau gestellt. Auch der Weltenbaum mit den mythischen Drachen (s.u.) mag erscheinen. Oben und unten auf der Straße wird getanzt und der Mythischen Hochzeit gedacht. Was an Ostern klimabedingt an erotischen Freizügigkeiten nicht möglich war - jetzt kann es gelebt und gefeiert werden... Die 'mystische' Einheit mit dem Holon wird hier durch die Ekstase des Tanzes und das 'Bad in der Menge' erlebt...

Mitten in der Natur dagegen schart mensch sich unter dem 'Lebensbaum' sitzend um das Elternpaar - oder die Elternpaare - oder das Hochzeitspaar - oder auch deren mehrere, im Festmahl mit ihnen vereint, und erinnert sich auch an den Mythos vom nährenden Drachenpaar und der Mythischen Hochzeit... Vor dem inneren Auge sieht man, wie der Himmelsdrache in der Baumkrone sitzt und der Erddrache im Wurzelwerk haust; den Stamm hinauf und hinter aber, vom Vater zur Mutter und umgekehrt, sausen (wie Ratatoskr das Oben und das Unten vermittelnd) zwei flinke Drachenwelpen...

Der Baum jedoch steht nicht alleine da, sondern gehört (wie Yggdrasill oder Irminsul) zu einem Wald mit Wiesen und vielen anderen Pflanzen, der an diesem Tag zum "Heiligen Hain" wird: Teil also der Umwelt und einer Lebensgemeinschaft, die alles leben lässt.

Während mensch am frühen Abend sich zum gemeinsamen Mahl versammelt, hat man tagsüber sich in der Natur ergangen und, in stiller Meditation, die Einheit mit ihr, also die Vernetzung alles Lebendigen, und die Verknüpftheit des Lebendigen mit dem Nichtlebendigen, kurz: das Holon erlebt. Dies wiederholt sich auch spät abends, nach dem Mahl, im Angesicht und in Gedanken bei den Sternen. So haben alle ihr 'mystisches' Vereinigungserlebnis - auch jene, die nicht Eltern sind. Aber bei all dem hat mann und frau nicht vergessen, jede Pflanze, jedes entdeckte Tier und jede gefundene Mineralie einzeln zu beachten und beim Namen zu nennen - v.a. für die Kinder.

Erntedankfest (29.9.) und Herbstfest (4. Sonntag im Oktober) sind beides Feste des Gedenkens an das höchste und unvermeidliche aller Opfer, das natürliche Sterben. In jener Lebensgemeinschaft, der im Fest des Lebensbaumes gedacht wurde, wird auch gestorben, damit Anderes leben kann, damit Nahrung wird und Platz für nachfolgendes, sich entwickelndes Leben.

In der Ernte wird das Getreide geschnitten, im Herbst fallen die Blätter, die Früchte werden gegessen, das Wild wird gejagt und das Vieh geschlachtet. In beiden Festen wird die Pracht der sich gebenden, sterbenden Natur feierlich inszeniert, verinnerlicht und erlebt, angesichts etwa der Fülle der geernteten Früchte und vor den leuchtenden Farben des herbstlichen Laubes, kurz vor dem Sinken und Welken.

Als Inbegriff dieses Sterbens, aus dem neues Leben und gar höheres Leben entsteht, dient beim Herbstfest der Wein: die Traube wird geschnitten, zerquetscht, gekeltert - und ein Neues reift heran: das köstliche Getränk des ätherischen Weines - Symbol auch (im Dionysos- wie im Christus-Kult) jenes Opferblutes, das man so lange Zeit glaubte, für die Erlösung vergießen zu müssen. In einem Kult aber der Einbindung in die kultivierte Natur darf und soll das Blut, so viel als möglich, dem Kreislauf der Geburten erhalten bleiben. Genossen also wird das vergorene Blut der Weinbeere - zum Ausgleich - zusammen mit dem friedlich gewonnenen Käse. Und wer den Wein nicht mag, trinkt Bier und isst dazu Radieschen. Wem aber das Bier allein nicht schmeckt, der kann probieren, wie auch das schlichte Korn zum geistigen Getränk verwandelt werden kann... Das Mysterium der Verwandlung wird hier jedoch nicht als "spirituelles", also einseitig geistbetontes und jenseitsgerichtetes, erlebt, sondern als der Prozess der Veredlung des innerweltlichen Lebens, oder anders als das, was wir kurz Kultur nennen. Und dazu gehören auch die Dimensionen des Gefühls und des Triebhaften, die wir - neben 'geistigen Visionen' - verstärkt im Rausch erleben.

Zugleich aber - ohne Gewalt und weltverneinende Askese - opfern die von der Umwelt Beschenkten: man gibt für Projekte zur Pflege der Natur (Inbegriff der Kultur!) bzw. der Umwelt, dort wo sie dessen zur Erhaltung ihrer Lebendigkeit und Reichhaltigkeit am meisten bedarf, oder man gründet, wo nötig, selbst ein solches ökologisches Projekt feierlich an diesem Tage, dem Fest des Erntedanks.

Dieses Opfer betont die Wichtigkeit des konkreten Handelns im HOLON-DOJO, der sich nicht in 'mystisch-symbolischem Zinnober', also in weltflüchtigen Ersatzhandlungen erschöpfen, sondern als kulturelle Praxis fördern will, dass Menschen im realen Leben nachhaltig verankert sind.

An die Ernte schließt sich am 30.9. das Ruhefest an. Es ist dies ein Fest des Ausruhens von der Arbeit und damit - im Lebenszyklus - der Pensionierung. (Es gehört zu den insgesamt 5 Festen, die die wichtigen Einschnitte im menschlichen Leben hervorheben: Geburt bzw. Taufe, Initiation bzw. Berufsanfang, Hochzeit, Rückzug vom Berufsleben, Tod. Dabei fallen im Jahreszyklus Tod und Geburt am Jahresende bzw. Anfang zusammen. Diese Einschnitte markieren die vier Lebensfasen Kindheit, Adoleszenz mit Jugend, Erwachsenenzeit und Alter, die in allen Gesellschaften durch Feste feierlich markiert [und damit definiert] werden.) Dieses Fest des Ruhens soll still und leise in völliger Entspannung zugebracht werden: einen Tag lang zumindest ist es gegönnt, sich sorgen-, plan- und gedankenlos treiben zu lassen, das Dasein zu genießen, getragen von der Güte der Welt und den Früchten der eigenen Arbeit - wo und wie auch immer: im Dampfbad, am Strand oder auf einer Wiese liegend... (Und wer einen solchen Tag sich nicht leisten kann, der darf andere in die Pflicht nehmen, ihm die Teilnahme am Ruhefest zu ermöglichen.)

Am 5. Sonntag vor dem Fest der Mythischen Familie (24.12., traditionell Totensonntag) ist das Fest der Großeltern, und damit der Menschen im "Ruhestand". Sie haben Zeit, sich an ein langes Leben zu erinnern und teilen dies mit den Kindern, denen sie an diesem Tag aus ihrem Leben erzählen - wozu die Kinder sie, nach einem Festessen zu ihren Ehren, rituell auffordern - oder denen sie aus einem ihnen wertvollen Buch vorlesen, oder mit denen sie ihren Lieblingsfilm ansehen, oder wie immer ihnen Lebenserfahrung und Tradition vermitteln.

Am Fest der Sühne und Verzeihung (6.12., traditionell Nikolaus) soll den 'menschlichen Schwächen' Rechnung getragen werden: man gesteht sie sich und anderen ein (Beichte) und ist bereit, dafür zu sühnen, die Schwächen also durch gute Vorsätze und durch gute Taten, insbesondere Geschenke, aber auch Selbstdisziplin, wett zu machen. Jede und Jeder gestattet jedem anderen, sie und ihn mild zu bestrafen. Dies geschieht im Wissen darum, dass sie oder er dem anderen zwangsläufig einmal nicht gerecht geworden sein und ihm oder ihr Leid zugefügt haben wird. Der Strafende soll dies tun, nicht nur um sich selbst als Gekränktem Genugtuung zu verschaffen, sondern auch um den anderen von der Last des schlechten Gewissens zu befreien, also in dem Bestreben, wieder verzeihende, liebevolle Gemeinsamkeit herzustellen. Dabei dürfen auch gerade die Schwächeren die Stärkeren, z.B. die Kinder die Erwachsenen, strafen...

Aber auch der Tatsache soll Rechnung getragen werden, dass diejenigen, die anderen im Namen des Zusammenlebens und der Lebensbewältigung Verzichtleistungen abverlangen (die "Zivilisationsbringer"), diesen dadurch auch ein Leid zufügen, das diejenigen, die sich ihnen - mehr oder weniger freiwillig - unterwerfen, unbewusst ihren 'Quälern' zur Last legen und damit - mehr oder weniger latent - denen gegenüber aggressiv sind, die ihnen - mehr oder weniger - liebend Gutes wollen und tun. Auf einer noch tiefer liegenden Ebene sogar liegt die Aggressivität, die jeder Mensch jedem anderen gegenüber empfinden muss, der für ihn Objekt des Begehrens ist, welches aber nie - in einer realen Welt unabhängig voneinander lebender Wesen - vollständig zur Befriedigung der eigenen Wünsche zur Verfügung steht (und deshalb frustriert). Um diesem Hasspotential, das ohne Abbau sich zu einer die Zivilisation zerstörenden Macht aufstauen kann (bis hin zu genozidären Exzessen gegen - oft gerade hochkultivierte - Minderheiten oder "Fremde"), ein Ventil zu verschaffen, dürfen die 'Unterdrückten' ihre 'Unterdrücker' und 'Vorgesetzten', sowie die Liebenden diejenigen, die sie ach so oft schmerzlich begehren, ein Stück weit quälen, erniedrigen und herabsetzen. Das gilt auch für das verinnerlichte "Über-Ich", welches an diesem Tag 'gedemütigt' wird, an dem lustvolle und aggressive Exzesse - soweit sie nicht die Gesundheit schädigen - erlaubt sind und das Gegenüber als 'Lustobjekt' zur Verfügung stehen muss. (Um aggressive Impulse triebökonomisch mit libidinösen zu fusionieren, ja in diesen aufgehen zu lassen, gehören zu diesem Tag - in esoterischem Rahmen - auch aggressiv-erotische Handlungen, bis hin zu sadomasochistischen Ritualen, die dann aber eine zärtliche Auflösung finden sollen.)

Durch dieses Fest der liebevollen Bestrafung und Verzeihung wird der Hass auf den "Kulturbringer" besser kanalisiert, als durch den überwiegend aggressiven Hassexzess der rituellen Tötung des Kulturbringers (z.B. Kreuzigung Christi), der eher zum - mehr oder weniger versteckten - Hass erzieht, als diesen abbaut (die blutige, grausame und oft sadistische Geschichte der religiös motivierten Kriege [Kreuzzüge, Dschihads] sowie die Quälerei und Eliminierung von Ketzern oder schlicht "Ungläubigen" zeigt dies sattsam).

Zur Sühne gehören auch Opfer, die nun aber keinen Beigeschmack von lebensfeindlicher Selbstgeißelung mehr haben sollen: mensch spendet für ein soziales Projekt, das Menschen in Not Hilfe, v.a. Hilfe zur Selbsthilfe, bringt, oder man hilft ein kulturell-erzieherisches Projekt finanzieren, dass Menschen durch Information, Aufklärung, Körper-, Seelen- und Geistesbildung ihr Leben bewältigen und die Vielfalt ihres kulturellen Lebens erhalten und mehren hilft, nicht zuletzt, indem sie ihrer aller Lebensgrundlage, die Natur, erhalten lernen.

Beim Fest des Mondes und der Sterne (1. Vollmond im Dezember) steht die Sphäre des Mondes und der Sterne, die v.a. der Frau und der Mutter assoziiert ist, im Zentrum, und zwar in der - symbolisch - weiblichen Hälfte des Jahres, die Leben hervorbringt und wieder zurücknimmt. Zum Bereich des Dunklen, in den sterbende Wesen kehren, gehört die Erde und der Nachthimmel mit dem ihn befrauenden Mond - nein, er beherrscht nicht, blendet nicht mit imposanter Pracht, sondern lässt, anders als die Sonne, milde die Sterne mit sich gemeinsam leuchten. Bei einem stillen nächtlichen Spaziergang betrachtet mensch den Mond, sieht in ihm vielleicht mit mythischer Einbildungskraft die Monddrachin, die ihre Sternenflügel über das Firmament breitet. Tief sinkt die Unendlichkeit des Alls in die Seele, die uns immer umfangen wird, auch wenn wir uns eines Tages auflösen und zu Staub oder zu Energie werden, um Teil eines neuen Geschehens zu sein.

Am Totengedenktag und Fest des Holzmachens, am Tag der Wintersonnenwende wird aller Lebewesen gedacht, die gestorben sind, v.a. jener, die ihr Leben für das Leben anderer gegeben haben. Also auch aller geschnittenen und gefällten Pflanzen. Man besucht vormittags die Friedhöfe und zieht nachmittags aus, um einen Baum zu suchen, der gefällt werden kann oder muss, vorzugsweise einen alten, absterbenden Baum, der ohnehin stürzen würde, und schlägt diesen ein. Oder man holt Holz und hackt oder bricht dieses. Wenn der Baum umsinkt und das Holz splittert, ist dies Zeichen für das nahende Sterben der mythischen Alten. Das Holz bewahrt man auf. Alternativ werden Kerzen gemacht.

In der "Heiligen Nacht", dem Fest der Geburt der mythischen Kinder, kommen beide mythischen Frauen, die an Ostern schwanger geworden waren, nieder, die Jungfrau und die Heroin(3). Aus dem festlich gesammelten Holz des Vorjahres macht man Feuer und mit den Kerzen Licht. Alle Generationen nun sitzen zuhause beisammen und bewundern im goldenen, tanzenden Licht die Vision der beiden Neugeborenen, Sohn und Tochter, samt den stolzen Eltern... Alle sind also warmen und erfüllten Herzens beisammen, die ganz Alten und auch die ganz Jungen, im Fest der mythischen Familie. Das Ereignis ist das schönste Symbol der prachtvollen und festlichen Entfaltung des Weltenganzen im lebendigen Werden, das aus der Zusammenkunft des Gegensätzlichen sich fortzeugt und die Fülle der Dinge erschafft.

Maria, Anna, Christus und Johannes. Leonardo da Vinci (Quelle: hier klicken)

Die Anbetung durch die Hirten. Georges de La Tours (Quelle: hier klicken)

Den Vieren und allen Anderen, die an diesem Abend zugegen sind, hat man viele und schöne Geschenke gehäuft (- Schenken als die schönste Form des Opferns). Jenen, die weiter weg sind - und sei es auch in abstrakter Ferne - und Mangel leiden, schenkt man ebenfalls, was diese brauchen können und was man selber, ohne zu verarmen, geben kann.

In der Neujahrsnacht dann stirbt, zusammen mit dem alten Jahr, die mythische Großmutter; oder es ist der mythische Großvater, den es trifft. Damit weichen die mythischen Alten dem kommenden, neuen Leben im endlosen Prozess des dialektischen Werdens und reichen den Funken des Lebens weiter, in dem das Weltenganze am vornehmsten sich manifestiert. Zur Neujahrsfeier wird nun aus dem feierlich gesammelten Holz des Vorjahres draußen ein großes Feuer entzündet; dazu auch viele kleine Feuer und zahlreiche Kerzen. So gedenkt man still - in der Todeskälte ringsum - dem Schicksal, nach dem die Hingeschiedenen den Nachfolgenden Platz gemacht haben und ihnen sonstwie beim Leben geholfen haben, für sie also wärmendes Licht geworden sind. Zugleich jedoch wissen alle freudig um das Kommen des nächsten Frühlings und des sonnigen Sommers... In den Flammen aber sieht man, vom Glühwein oder anderen geistigen Getränken gut durchwärmt, die Drachenfamilie tanzen, die Jungen groß geworden und die Alten alt...

Gegen Ende Februar (40 Tage vor Ostern), im Fasching, lernen die mythischen Kinder - und mit ihnen die wirklichen -, dass Leben heißt: nicht nur "Natur sein", sondern auch: Rollen übernehmen und Masken tragen. Das kann lustig sein, aber auch bedeuten: sich durchsetzen in oft rüdem Geschehen. Also tragen alle, auch die Erwachsenen, in denen "das spielende Kind noch wach geblieben ist", bunte, fantastische, gruselige und schützende Verkleidungen, verstellen sich und bekommen erlaubt, die anderen tüchtig zu hänseln und zu erschrecken... (Ohne Schrecken in den Gliedern, möchte man meinen, kein echtes Ritual und auch kein realitätstauglicher Mensch... Aber ein Trauma oder gar Lebensangst soll aus dem Ritual denn doch nicht werden und so ist es gut, dass alles nur ein Spaß sein soll...) Außerdem spielt man Ritter, Starwars, Cowboy und Indianer, darf also ohne Schaden kämpfen üben. Und nicht zuletzt verjagt der Mensch mit all dem lauten Treiben den lang gewordenen Winter...

Und so beginnt das Leben von Neuem...

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Bei allen Festen übrigens bringt man (wie etwa im Kirchenjahr), an prominenter Stelle, die symbolische Spektralfarbe der Jahreszeit zur Geltung, Zeichen für das glänzende und schillernde Aufscheinen des Holon in der Vielfalt des konkreten Werdens.

Selbstverständlich ist der Festzyklus auf die Nordhalbkugel und auf mittlere Breiten zugeschnitten. In anderen Klimaten und Kulturen muss er entsprechend angepasst werden.

1. Vorbild wäre also unter den christlichen Heiligen nicht Georg, sondern eher Margareta.

2. vgl. Siegfried, Beowulf, Herkules, Apollon etc.

3. vgl. auch die Geburt und das Zeigen des Heiligen Kindes in den Demeter-Mysterien

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